Das „Sommercamp“ – ein aufgeladener, beinahe mythischer Begriff seit meinem Beginn bei Weitblick. Irgendwo hinter tiefen Nebeln waberte da etwas, das bei allen großen Freuden hervorrief. Nach gefühlten zwei Jahren sozialer Dürre, Corona-Lockdown sei Dank, konnte ihnen das Lechzen nach echten sozialen Begegnungen auch niemand verübeln. Dennoch verstand ich die Reichweite nicht gänzlich. Ja, wir Kieler wollten die Leute zu uns locken, verführen mit Sommer, Strand und Meer – anlässlich unseres 10. Geburtstag. Just hatten wir uns intern beim Breitblick-Geburtstag bewiesen, dass wir Feste zelebrieren konnten und unserer aufgestauten Feierlaune kein Tisch standhielt.
Das nächste halbe Jahr durfte ich jedoch aus nächster Nähe feststellen, dass ein bundesweites Event einen ganz anderen Aufwand benötigt: Von der Festlegung eines geeigneten Termins, über die Buchung des Campingplatzes und der Organisation einer geeigneten Verpflegung bis hin zum Erstellen von Tagesplänen und vielen weiteren Kleinigkeiten – all dies, was sich schnell niederschreiben lässt, nimmt viel Zeit in Anspruch (wovon wohl insbesondere Leo mittlerweile ganze Hymnen trällern kann). Zeit, für die wir als Verein viele unserer Treffen investierten und anderweitige Anstrengungen in der Bildungsarbeit leider auch mal zurücksteckten mussten. Und das alles für eine Spaßveranstaltung?
Mit zwei vollgepackten Autos rumpelten wir über die Campingplatzwiese zu unserem zugewiesenen Platz. Als ich mich umschaute, war da nichts als eine teils ausgetrocknete Wiese, die bereits ausgelieferten Bierbänke und moderat-saubere Sanitäranlagen. Das war also dieses Sommercamp, von dem alle redeten. Doch noch bevor die Zelte zusammengebaut waren, war die vorher ausgetrocknete Wiese einem Ort des Beisammenseins gewichen, der mit Puzzleteilen und Girlanden verziert war und zum gemeinsamen Treiben einlud. Durch die Bäume konnte ich das Glitzern des Meeres im Sonnenschein erkennen. Ein Hastiges und ein erstes Anbaden am angrenzenden Strand und ich war mir gewiss, dieses Sommercamp konnte zumindest nicht schlecht werden.
Dieses Gefühl vermischte sich mit dem Auftauchen der ersten Leute, mancherlei bereits bekannt vom Weiterbilden Seminar in Bonn, andere gänzlich neue Gesichter, die jedoch in ihrem freundlichen Lächeln und Vorfreude auf das Kommende vereint waren. Der offiziellen Eröffnung folgte ein Chili sin Carne, das insbesondere durch die Mühen, die Anne notfallbedingt auf sich geschultert hatte, äußerste schmackhaft anmutete. Seinen thematischen Abschluss fand der Tag mit dem, was Kiel am besten kann: Flunken mit Leuchtturm, Lagerfeuer am Strand und gemeinsame Schnacks beim Meeresrauschen. Der Glanz in den Augen konnte unlängst nicht mehr durch das Feuer, Alkohol oder Müdigkeit erklärt werden konnten – es war der Glanz des Sommercamps.
Der zweite Tag begann, wie der erste aufgehört hatte. Die Mutigsten (oder Müdesten) sprangen morgens ins Meer zum Anbaden. Das folgende Camping-Frühstück bot einen Ort des Genusses und Austauschs und füllte die leeren Batterien wieder auf. Zur Mittagszeit standen alle pünktlich am Fähranleger des Falkensteiner Strands zum Highlight des Tages. Um den angereisten Weitblickenden aufzuzeigen, was Kiel kann, kamen uns zwei Schweinswale besuchen, die durch eine romantisch-verklärte Brille gerne auch als Delphine verkannt werden. Die Fährfahrt in der Förde wurde untermalt von Sonnenschein und einem Audioguide von Felix, der an dem Wochenende leider nicht anwesend sein konnte doch keine Mühen gescheut hatte, für dieses Event eigenständig eine Fährfahrt zu tätigen und sein Wissen in auditiver Form zu teilen. So ließen wir uns verzücken von den Informationen, die immer wieder mit nordischem Humor bereichert waren, während die Köpfe von einem Ufer zum anderen wanderten. In der Stadt angekommen führten Anne und Linn diese Führung auf lockere, mal ironisch, mal kritisch-ernste Weise fort, beim gemütlichen Schlendern vorbei am Rotlichtviertel, dem kleinem Kiel und der Kiellinie. Die abrundende Rückfahrt der Fähre war durch böigen Wind geprägt und in sich möglicherweise nicht das größte Vergnügen, doch zumindest ehrlich für Kiel, wie das gesamte Bild, das wir an diesem Tage von der Stadt präsentierten.
Zurück am Camp kurbelte sportliche Betätigung beim Spikeball und Beachen die müden Geister wieder an. Zoe lotste erfolgreich eine Pizza-Lieferung zu uns, die so viel Anklang fand, dass die kurzfristige Absage des Caterers schlussendlich als großer Glücksgriff abgestempelt wurde. Auch diesen Tag schlossen wir gemeinsam am Feuer ab. Flunkiball und Ragecage durften nicht fehlen, wie die „bottle of rum“, die durch die Runde gegeben wurde. Das Lagerfeuer bot Platz für gemeinsame Gespräch, in dem Gedanken über Weitblick und darüber hinaus geteilt werden konnten. Im Rau(s)ch erhoben sich die Leute peu à peu, und verschwanden in ihre Zelte.
Der letzte Tag folgte, die Energiereserven waren gesunken, die Gruppe der Anbadenden schrumpfte. Bald schon machte sich die übliche Hektik des naheliegenden Abschieds breit. Dem Frühstück als Oase vor dem Wüstenmarsch, folgte das Abbauen der Zelte und dem gemeinsamen Säubern der Anlage. Langsam verwandelte sich das Camp zurück von dem, was es unlängst geworden war, zu der teilweise vertrockneten Wiese. Über diese rumpelte das Auto nicht weniger voll zurück gen Alltag.
Neben dem Mitgebrachten schaukelten auch die Verabschiedungs-Flaschenpost im Gepäck – leere Flaschen, die Victor (der Erste) vorher mit Sand gefüllt hatte und über das Wochenende mit Zettelchen der gemeinsamen Erfahrungen gefüllt worden waren. Erfahrungen, die das Sommercamp zu dem aufgeladenen Begriff machen, der es ist. Es war viel mehr als ein einfaches Campen. Es war ein Ort der Zusammenkunft, gefüllt von Begegnungen, geteilten Momente und Erlebnissen, die an dieser Stelle unlängst nicht alle Erwähnung gefunden haben. Ein Event, bei dem Arbeit und Mühe der Bildungsarbeit in den Hintergrund rückte und Spaß gleichermaßen wie Entspannung neue Räume schufen. Ein Ort, der uns die Freiheit bot, uns frei auszutauschen, und das zu tun, wonach uns der Sinn stand. Ein Fleckchen Erde, an dem die Welt in Ordnung war und Harmonie vorherrschte. All das und noch viel mehr war das Sommercamp 2022.
Abschließend möchte ich meinen Dank aussprechen an all die Leute, die uns im Norden besucht haben und mir selber und sicherlich uns allen viel Neues und Altes gezeigt haben – das Leuchten in den Augen beim erstmaligen Erblicken des Meeres war eine schöne Erinnerung an meine erste Zeit in Kiel, die bereits ersten Abstumpfungserscheinungen unterlag.
Großer Dank gilt ebenfalls all den Leuten, die sich um das Event gekümmert haben, insbesondere die Kieler Weitblickenden. Allen voran zu nennen sind hierbei Leo und Anne (!!!), was die beiden sicherlich auch schon ihren gefüllten Flaschen entnehmen konnten. Ich könnte eine ähnlich lange Laudatio über ihr Engagement für das Sommercamp schreiben und würde dem nicht gerecht, was sie neben (Arbeits-)Alltag und Zeckenbiss abgeliefert haben.
Nicht zuletzt auch danke Kiel. Auch wenn du im Winter regnerisch wie kalt bist und man sich stets fragt, warum es einen hierher verschlagen hat, bist du doch eine Perle im Norden, mit tollen Menschen, tollen Orten, Sonne, Strand und Mee(h)r* – und ich hoffe, dass konnten wir allen Anwesenden ein Stück weit zeigen.
Markus Hofmann (WB Kiel)
*einmal musste ich ihn ja bringen